Disclaimer: In diesem Artikel wird häufig über weibliche oder feminine Aspekte sowie Frauen gesprochen. Selbstverständlich kann die Thematik alle Geschlechter betreffen. In der Praxis wird Feminisierung jedoch meist von submissiven cis-Männern ausgelebt.
Was versteht man unter Feminisierung?
Der Begriff „Feminisierung“ leitet sich von „feminin“ ab, was „weiblich“ bedeutet. Wörtlich übersetzt bedeutet Feminisierung im BDSM-Kontext also „Verweiblichung“. In einem anderen Kontext bezeichnet dieser Begriff auch die geschlechtliche Transition von trans Frauen, worum es in diesem Artikel jedoch nicht geht.
Im BDSM beschreibt Feminisierung ein Rollenspiel, bei dem die dominante Person den submissiven Part dazu bringt, Frauenkleidung zu tragen. Dies wird auch als „Sissyplay“ oder „Sissification“ bezeichnet. Eine verbreitete Variante ist die „forced feminisation“, also die erzwungene Feminisierung, bei der die Verwandlung unter Zwang geschieht. Manche empfinden diese Praktik als Form der Erniedrigung, für andere steht sie im Zusammenhang mit einem Fetisch für Damenbekleidung oder Wäsche. Wiederum andere genießen den Rollenwechsel und das intensive Machtgefälle, das sich daraus ergibt.
Feminisierung als Rollenspiel
Im Zentrum dieses Rollenspiels steht das Tragen von traditionell weiblich konnotierter Kleidung. Dazu zählen Unterwäsche, Kleider, Perücken, Brusteinlagen oder auffälliges Make-up. Die meisten Anhänger dieser Praktik auf submissiver Seite sind cis Männer, die die Fantasie genießen, in eine unterwürfige Sissy verwandelt und damit ihrer Männlichkeit beraubt zu werden. Häufig tragen sie freizügige Kleidung, erledigen niedere Hausarbeiten und durchlaufen ein sogenanntes „Schlampentraining„.
Eine Frau, die es genießt, bewusst hyperfeminin gekleidet, zur Schau gestellt und feminisiert zu werden, bewegt sich im Bereich des Bimbo-Play. Eine weitere Variante sind Rubberdolls, bei denen Feminisierung durch Latexanzüge, Masken und andere Latex-Kleidungsstücke ausgelebt wird.
Warum fasziniert Feminisierung?
Feminisierung gehört zu den weitverbreitetsten Fetischen. Viele Sexarbeiter:innen haben Kund:innen, die sich mit genau diesen Fantasien an sie wenden. Die Gründe dafür, warum jemand auf Feminisierung steht, sind vielfältig. Oft hängt diese Vorliebe mit gesellschaftlichen Klischees und Vorstellungen zusammen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Menschen mit dieser Neigung frauenfeindlich sind – im Gegenteil, viele empfinden tiefen Respekt für Frauen.
Es geht bei dieser Praktik oft darum, sich vom eigenen Selbstbild zu distanzieren. Während Crossdressing primär das Tragen von Frauenkleidung umfasst, steht bei Sissification die Unterwerfung im Vordergrund. Die Verwandlung ist dabei nicht nur eine äußerliche, sondern auch eine innere – eine Art Objektifizierung oder das Hineinschlüpfen in eine andere Rolle. Entscheidend ist dabei nicht das Herabsetzen von Weiblichkeit, sondern das Infragestellen von Männlichkeit.
Kleider machen Leute
Feminine Kleidung wird gesellschaftlich oft sexualisiert. Ein kurzer Rock, Strapse und High Heels können als hypersexuelles Outfit wahrgenommen werden. Zudem werden Stoffe, Schnitte und Details vielfältiger gestaltet als bei traditionell maskuliner Kleidung. Viele submissive Männer empfinden eine starke Erregung durch das Tragen bestimmter Materialien wie Satin, Nylon oder Spitze.
Spiel mit patriarchalen Strukturen
Feminisierung bedient sich oft stereotypischer Frauenrollen, die historisch mit Unterwerfung oder Objektifizierung verknüpft waren – etwa die Hausfrau, die Prostituierte oder das Dienstmädchen. Besonders häufig spielt sich dieses Szenario zwischen einer dominanten Frau, häufig genannt Femdom, und einem submissiven Mann ab. Dabei wird das Machtgefälle genutzt: Der Sub ordnet sich unter, während die dominante Frau die Kontrolle übernimmt. Oftmals werden Sissys jedoch als noch „niedriger“ als eine Frau behandelt, da sie einzig dem Nutzen und der Befriedigung dienen sollen.
In gewisser Weise ist Feminisierung daher nicht nur ein Fetisch, sondern auch ein bewusstes Spiel mit den Mechanismen des Patriarchats. Es spiegelt wider, wie Frauen in der Gesellschaft behandelt werden, indem Weiblichkeit entmachtet und als Schwäche dargestellt wird. Während dies für viele ein erotisches Szenario ist, bleibt die Reflexion über gesellschaftliche Strukturen ein unausweichlicher Bestandteil dieser Spielart.
Viele dieser Rollenspiele erinnern an Live Action Role Play, kurz LARP. Typische Sissy-Rollen umfassen etwa das Dienstmädchen, die Hure im Schlampentraining oder die hyperfeminine Freundin.
Eine Auszeit von gesellschaftlichen Erwartungen
Feminisierung kann auch als Flucht vor dem Druck traditioneller Männlichkeitsnormen verstanden werden. Submissive Männer erleben häufig innere Konflikte, da ihre devote Seite gesellschaftlich nicht als „männlich“ anerkannt wird. Das Zwangselement im Spiel kann dazu beitragen, diese Hemmungen zu überwinden: Wenn jemand „gezwungen“ wird, kann er sich seiner Rolle hingeben, ohne sich dafür verantwortlich zu fühlen.
Einige nutzen Sissyplay, um ihre Sexualität zu erkunden. Beispielsweise könnte ein Mann, der als dominanter Mann Hemmungen hätte, sich passiv hinzugeben, dies als Sissy genießen. Beliebte Szenarien sind Pegging, Cuckolding oder das Dienen als Sexobjekt.
Auch für dominante Personen kann Feminisierung reizvoll sein. Die Verwandlung bietet neue Möglichkeiten, den Sub anders zu behandeln – etwa, indem sie statt sadistischer Praktiken verstärkt mit Demütigung arbeiten. Typische Elemente sind Keuschhaltung, Small Dick Humiliation oder das Tragen eines Keuschheitskäfigs.
Wie kann Feminisierung aussehen?
Feminisierung kann sehr unterschiedlich gestaltet werden, doch im Zentrum steht immer die Rollenveränderung. Dies kann durch Kleidung, Schminke, neue Namen oder bestimmte Aufgaben geschehen.
Eine leichte Variante ist das Tragen von Leggings oder Strumpfhosen, das Sitzen mit geschlossenen Beinen oder das Vermeiden bestimmter Getränke. Eine intensivere Form ist das Tragen femininer Kleidung zu bestimmten Anlässen oder als Ritual.
Die extremste Variante ist die dauerhafte Feminisierung in einer 24/7-Beziehung. Dabei legt der Sub mit dem Betreten des Wohnbereichs seine Identität ab und schlüpft in die Rolle der Sissy. Er oder sie fungiert als Dienerin, übernimmt Haushaltsaufgaben und untersteht einem festen Regelwerk.
Wer erfreut sich an Feminisierung?
Die dominante Rolle übernimmt oft ein:e „Feminizer„, aber auch Degrader und Hotwives können daran Gefallen finden. Auf submissiver Seite genießen insbesondere Sissys und Degradees diese Form des Spiels.
Wichtige Aspekte und Vorsicht
Da Feminisierung oft mit Erniedrigung und Demütigung verbunden ist, ist eine sorgfältige Absprache essenziell. Klare Grenzen sollten definiert werden. Eine besondere Form der Aftercare kann das Entkleiden und Abschminken sein, um symbolisch aus der Rolle zurückzukehren.
Feminisierung und Feminismus
Feminisierung spielt mit Geschlechterrollen und Klischees, was innerhalb der BDSM-Community kontrovers diskutiert wird. Dennoch ist es wichtig, eine klare Differenzierung zwischen Sissy-Fantasien und realer Frauenfeindlichkeit zu ziehen. Letztlich geht es nicht darum, Frauen abzuwerten, sondern Männlichkeit zu hinterfragen und mit Machtgefällen zu spielen.