Disclaimer: Dieser Artikel ist autobiografisch und möchte niemanden explizit vorführen, angreifen oder über andere urteilen. Es geht um subjektive Erfahrungen mit Mehrwert.


Dass Dating und Sex zwischen Kinkstern anders abläuft, als zwischen nicht-kinky Personen, ist kein Geheimnis. Lernt man jemanden innerhalb der BDSM-Bubble kennen, ist manches unkomplizierter. Gängige Neigungen und Rollen sind uns gegenseitig ein Begriff, genauso wie Sicherheitssysteme. Man darf davon ausgehen, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zu Kommunikation in Sachen Sex besteht. Man fühlt sich um Umgang miteinander sicherer und braucht weniger Angst vor Ablehnung zu haben. Denn wir sitzen ja alle im selben Boot.

Doch wie geht man damit um, wenn die Partnerperson (in spe) nicht kinky veranlagt ist? Welche Probleme können auftreten und wie nähert man sich am besten an? Im folgenden Artikel möchte ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. In der Hoffnung, dass ihr aus meinen Erfahrungen etwas für euch mitnehmen könnt.

Eine kinky Kerbe in der Bettkante

In meinen Leben habe ich es geschafft es mir in einigen gemütlichen Bubbles einzurichten. Ich gehöre zur riesigen Community an Tätowierten, dem eigenen Volk der Fotograf:inn:en und Instagram-Models, Latexliebhaber:inne:n, aufgespritzen Müncher:inne:n, für-immer-jungen-Randbezirk-Metalheads , dem Proletariat aus Pumpels und Fitness-Elite. Wow, ganz schön viele Schubladen in denen ich da gleichzeitig stecken muss. Und dann bin ich auch noch sowas wie eine sexpositive Kink-Autorin. Eine, die über Machtgefälle, Auspeitschen und Nippelklemmen schreibt und Dirty Talk zu Buchstaben verarbeitet. Ich bin ganz ehrlich: Manchmal erwarten die Leute ganz schön viel von mir. Und mit Leute meine ich Sexualpartner:innen.

Als vorwiegend bindungsfixierte Person lassen sich meine Dates und lockeren Bekanntschaften an einer Hand abzählen. Einen dieser frivolen Finger meiner Vergangenheit habe ich mal gefragt: „Warum hast du eigentlich etwas mit mir angefangen?“ Die ernüchternde Antwort: „Keine Ahnung. Ich wollte immer schon mal so eine krass Tätowierte haben.“ Das war sie also, die Erkenntnis, dass ich für Personen, die ich nicht weiter an mich heranlasse als in mein Schlafzimmer, nur eine Kerbe in der Bettkante bin.

Die Erwartung an eine sexuelle Delikatesse…

…von Frauen, die nicht kinky sind

Als sich meine kinky Seite mehr und mehr herauskristallisierte und ich begann, damit auch öffentlich umzugehen, wurde das Gefühl für Vanillas nur eine sexuelle Delikatesse darzustellen, nicht unbedingt besser. Bei Frauen hatte ich das Gefühl, sie erwarten von mir aufgrund meines Kinks stets die zu sein, die das Ruder übernimmt. Manchmal schien es sogar irgendwie meine Aufgabe zu sein, die schlechten Erfahrungen, die eine Vanilla-Frau zuvor beim BDSM mit Männern gemacht hat, zu kompensieren. Es war also wichtig, meinem Gegenüber klar zu machen: Ich bin nicht deine bisherige Erfahrung mit BDSM. Vielleicht hast du schon mal etwas erlebt oder ausprobiert. Das heißt nicht, dass es mit mir genauso gut oder genauso schlecht sein muss. Sobald wir ganz unser eigenes Ding in unserem eigenen Tempo daraus gemacht haben, waren wir entspannter. Beide.

…und Männern, die nicht kinky sind.

Bei Vanilla-Männern war es ganz anders. Mit ihnen herrschte immer ein gewisses Machtgefälle, harter Sex zählt bei vielen Cis-Männern nun mal zum Standart-Repertoire. Entweder um mit mediengezüchteten gesellschaftlichen Erwartungen mitzuhalten, oder um die eigene sexuelle Unsicherheit zu kompensieren. Meine Erfahrungen als bekennend-kinky Frau mit nicht-kinky-Männern reichten von langweilig bis beängstigend. „Die steht auf BDSM. Ich weiß zwar nicht was das ist und wie das geht, aber ich mach einfach mal.“ Das war oft das Motto der Stunde. In Erwartung, so das Höchstmaß sexueller Extase hervor zu kitzeln wurde dann einfach zugepackt, gedrückt, geschlagen, gespuckt, beleidigt und gewürgt.

Wäre ich weniger resolut und bestimmt, was meine Grenzen angeht, und hätte ich nicht stets den Mut gehabt, eine Situation abzubrechen, hätte das teils traumatisch enden können. Jeder Versuch ein ernsthaftes Konsens-Gespräch zu führen oder überhaupt mal grundsätzlich zu erklären, wie meine Neigungen funktionieren, verlief im Sand. Vielleicht weil man sich nicht eingestehen wollte, dass so ein dahergelaufenes Mädchen mit Mitte zwanzig und einer Hand voll Sexualpartnern mehr sexuelles Fachwissen hat man selbst, der schon etliche Frauenherzen und -betten gebrochen hat.

Klartext – Aber zum richtigen Zeitpunkt

Da steht man dann also mit seinem zweifelhaften Renommé und den vielen kontroversen Neigungen. Statt mich darüber zu freuen, dass ich meine Sexualität kategorisieren kann und ziemlich genau weiß, wie meine Mind-Body-Connection funktioniert, hatte ich ständig Druck. Was ist, wenn ich die Erwartung ein versautes tätowiertes Luder zu sein, nicht erfüllen kann? Wenn ich mal keine Lust auf ausgefallene Praktiken, Stellungen oder Spielzeug habe? Wenn ich nicht sofort offen „Hurra!“ schreie, wenn eine dritte Person den Raum betritt? Oder am besten, noch während dem Oralverkehr durch einen brennenden Reifen springe und mit Tüchern jongliere? Was ist, wenn ich eine Person kennenlerne, die ich mag, die meine Bedürfnisse aber nicht befriedigen kann? Jemanden, der vielleicht absolut nichts anfangen kann mit Latex, Edging und Impact Play?

Sicherlich bin ich immer noch kein Profi darin, mit diesen Sorgen umzugehen und entspannt gegenüber jedem und jeder potenziellen Sexualpartner:in, die nicht in der kinky Bubble zuhause ist. Nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen verschafft Zeit und gibt deinem Gegenüber die Möglichkeit dich unvoreingenommen wahrzunehmen. Klar sieht jemand, der mich kennenlernt relativ bald an meinen Bildern auf Instagram, dass da etwas ist. Und sei es nur, dass ich relativ schambefreit und freizügig bin. Man muss nicht gleich beim ersten oder zweiten Date erzählen, dass man es toll findet, jemanden zu knebeln, ins Gesicht zu schlagen oder selbst erniedrigt zu werden. Das ist einfach zu intim am Anfang.

Werden die Vermutungen dann konkret, sollte man eher zu tief als zu hoch stapeln. Ich habe immer sowas gesagt wie: „Ja, es gibt da eine Seite an mir, die ich hin und wieder auslebe. Aber das kommt immer ganz auf die Person an.“ Oder: „Dazu kann ich dir mal mehr erzählen. Momentan ist mir nicht danach.“ Auch „Wenn es so weit ist und du interessiert bist, würde ich dir gerne meine Version von BDSM zeigen“, wäre eine gute Aussage gewesen. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass mir das nie so über die Lippen gegangen ist. Auch Kinkster sind mal nervös und reden um den heißen Brei herum. Auch solche, die beruflich sexuellen Klartext reden.

Die gleiche Sprache

Irgendwann solltet ihr dann aber wirklich die Katze aus dem Sack lassen. Mein Tipp an alle meine kinky Leser:innen, die es mit einem oder einer Vanilla versuchen wollen: Spart euch den einschüchternden SM-Jargon. Wer zu unsicher oder eingebildet ist, um nachzufragen wird im schlimmsten Fall einfach irgendwas in eure SM-Begriffe hineininterpretieren. Wir sind hier nicht am Stammtisch oder bei Fetlife, ihr müsst nicht damit angeben, wie viele sexy Fremdwörter ihr für das Erzeugen von Körperflüssigkeiten kennt.

Statt jemandem zu erklären, dass man auf Verbal Humilation und Abbinden steht, versucht es mit: „Ich mag es, wenn du mich beim Sex ein wertloses Dreckstück nennst und immer dann aufhörst kurz bevor ich komme. Aber wenn ich dann fertig bin, nimm mich bitte in den Arm uns sag mir wie schön du es findest, mich zum Orgasmus zu bringen.“ Es ist nämlich nicht unbedingt erregend, wenn jemand erstmal ein Lexikon braucht, um Geschlechtsverkehr mit dir zu haben. Wobei wir bei Deviance natürlich ein tolles Register anbieten. Nur für den Fall.

Perspektivenwechsel

Was man bei all dem nicht vergessen darf: Ich war sicherlich nie die Einzige, der das ganze Kopfzerbrechen bereitet hat. Für Personen, die mit BDSM nichts am Hut haben, kann es sicherlich auch beängstigend sein, auf einmal eine Person befriedigen zu müssen, die vermutlich auf die wildesten Sachen steht. Der Druck, abliefern zu müssen und im Bett einen besonderen Eindruck zu hinterlassen, ist bei den meisten Männern ohnehin präsent. Das macht eine Frau, die Lexikonartikel über Orgasmen schreibt und sexuell nicht der Norm entspricht, nicht unbedingt leichter.

Genauso wichtig:

Wenn wir als sexuell divergent ausgerichtete Personen wünschen, toleriert zu werden, so müssen wir auch ohne die Augen zu verdrehen, verstehen, dass es Menschen gibt, die anders sind als wir. 

Menschen, die eben keinen kleinsten gemeinsamen Nenner mit einer kinky Partnerperson finden können, weil sie eben keine Veranlagungen haben. Versetzt euch auch in diese Lage und zeigt Verständnis. Genauso wenig, wie ihr davon überzeugt werden wollt, dass dieser ganze BDSM-Kram nicht sein muss, genauso unangebracht ist es, die Sexualität einer nicht-kinky Person in Frage zu stellen.

Das große Geheimnis von Sex ohne Kink

Um guten Sex zu haben, der nicht kinky ist, musste ich mich erstmal von der Vorstellung frei zu machen, dass nur BDSM-Sex für mich befriedigend sei. Nachdem ich lange ausschließlich nur kinky und nur unten gespielt habe, war das anfangs befremdlich. Ich meine damit nicht, dass es mir schwer fiel beim Sex aktiv zu sein, denn auch als Sub gehörte es immer dazu, auch meine:n Dom zu bespassen. Ungewohnt war eher, dass es kein Machtgefälle gab. Früher dachte ich, ich muss am wenigsten denken und kann mich nur ganz fallen lassen, wenn ich unterwürfig bin. Später kam dazu die Annahme: Ich kann nur bekommen, was ich will, wenn ich dominant bin und den oder die Andere:n unterwerfe. Nur so passiert genau das, was mich jetzt erregt.

Die fantastische Erkenntnis war: Passiert Sex ohne Machtgefälle, kann ich hier beides: Den Kopf ausschalten und nicht mehr darüber nachdenken, was ich tue. Und genauso lenken und mir nehmen was ich möchte. Das ist für mich die größte Befriedigung an nicht-kinky Sex. Wenn er gut ist, ist er zwanglos, spontan und ein Selbstläufer. Klar funktioniert das nicht für jede:n. Gerade wenn sexuelle Erregung stark mit BDSM-Neigungen verknüpft ist, wird es schwierig, diese ohne Trigger zu erzeugen. Sex ohne eindeutigen Machtaustausch kann eine neue Erfahrung sein. Wir kennen Switcher, die sowohl oben als auch unten spielen können. Kann man sowohl mit als auch ohne Machtgefälle Sex haben, potenzieren sich hier auch die Möglichkeiten.

Außerdem sollte man meiner Meinung nach zwischen Kinkster und Vanilla zu Beginn keine Richtung vorgeben. Weder zu sagen „unser Sex bleibt Vanilla“ noch der Wunsch „wir werden auf jeden Fall hin und wieder in die BDSM-Richtung gehen“ ist ratsam. Denn beides erzeugt Druck und eine Erwartungshaltung. Wenn dein Gegenüber weiß, worauf du stehst, auch wenn es vielleicht nur die ersten zwei Drittel des Eisbergs an Vorlieben sind, wird er oder sie dieses Wissen mit in euer Sexleben einfließen lassen. Bewusst oder unbewusst.

…und was, wenn nicht?

Dann hast du das zu akzeptieren. Nun stellt sich die Frage, wie stark ist deine Sexualität mit BDSM verknüpft? Und: Wie wichtig ist dir sexuelle Erfüllung in einer Partnerschaft?

Es ist eine ganz schöne Zwickmühle, in der man sitzen kann, wenn Gefühle im Spiel sind. Ansätze gibt es viele. Jedoch sind offene Partnerschaften, Poly-Beziehungen und die Vorstellung, BDSM entkoppelt von sexuellen Handlungen mit anderen Personen zu erleben, für Menschen, die nicht in unserer Bubble leben, schwer greifbar. Hier gilt es, sich erst einmal selbst zu reflektieren: Was brauche ich unbedingt? Wie kann man sich entgegenkommen? Doch egal auf was man sich einigt, denkt immer daran: Eine reale Situation ist emotional nie mit der Theorie vergleichbar. Leider kommt ihr um das Ausprobieren nicht drum herum. Macht euch im Vorfeld bewusst, dass es trotz aller Abmachungen sein kann, dass eine Konstellation für eine:n von euch doch nicht so in Ordnung ist, wie es im Gespräch schien.

Kommt ihr trotz ausreichend Kommunikation über einen längeren Zeitraum zu keiner Lösung? Herrscht mehr Leidensdruck als Leidenschaft? So hart es klingt: Manche Dinge sollen einfach nicht sein. Und manche Dinge eben schon. Auf die Gefahr hin, dass dieser letzte Absatz eine schleimige Spur aus Pathos bei euch hinterlässt: Habt ihr euch erstmal verliebt, wird es egal sein, ob die andere Person kinky ist oder nicht. Dann wollt ihr den Menschen und euch ist egal, in welcher Schublade der steckt. Nerd, Sportler:in, Prolet oder eben: Vanilla.


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